Gut zu Wissen: Die Vorteile von Wohnprojekten
Wohnprojekte sind freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen, die bewusst bestimmte Bereiche ihres Lebens miteinander teilen wollen. Am häufigsten sind Projekte, in denen jede Partei ihre eigene Wohnung bezieht und diverse Gemeinschaftsräume gemeinsam genutzt werden. Typische Merkmale sind:
- Interne Belegung
Im Gegensatz zu einer anonymen Nachbarschaft, die sich zufällig bildet, nehmen die Mitglieder von Wohnprojekten aktiv Einfluss auf die Zusammensetzung der Gruppe. Sie bestimmen selbst, mit wem sie Tür an Tür wohnen. - Partizipation
Die zukünftigen Bewohner beteiligen sich aktiv an der Projektentwicklung und baulichen Umsetzung. Sie treffen ihre Entscheidungen basisdemokratisch. So entsteht Wohnraum, der dem tatsächlichen Bedarf entspricht. - Gemeinschaftsflächen
Zur Grundausstattung von Wohnprojekten gehören zusätzliche Gemeinschaftsräume neben den einzelnen Wohneinheiten. Freiflächen werden in der Regel nicht parzelliert, sondern als Gemeinschaftsgarten angelegt. - Individuelles Konzept
Art und Umfang des Zusammenlebens organisieren die Bewohner selbst. Sie verständigen sich über verbindliche Regeln des Miteinanders und halten diese in einer Satzung o.ä. vertraglich fest. - Selbstverwaltung
Bewohner von Wohnprojekten verwalten ihr Haus selbst, pflegen das Grundstück und regeln den Nachzug intern. Das dient der Selbstbestimmung und spart außerdem Nebenkosten. - Solidarität
Zum Selbstverständnis vieler Gruppen gehört ein besonderes Maß an gegenseitiger Unterstützung im Alltag, das über die Verbindlichkeiten einer losen Nachbarschaft hinausgeht. - Öffentliches Engagement
Viele Wohnprojekte suchen Kontakt zur Nachbarschaft im Quartier, organisieren öffentliche Veranstaltungen oder vernetzen sich aktiv mit anderen Wohnprojekten. - Langfristigkeit
Die Bewohner sind grundsätzlich an einer dauerhaft gemeinschaftlichen Nutzung ihrer Immobilie interessiert, die über den Planungshorizont der Gründergeneration hinausgeht. Sie wählen ihr Rechtsmodell entsprechend aus.
Gemeinschaftlich organisierte Wohnformen entstehen seit den 1980er Jahren als Antwort auf die Anonymisierung der städtischen Gesellschaft, auf die Knappheit bezahlbaren Wohnraums und den gestiegenen Wunsch nach bedarfsgerechterem Wohnraum. Die Bewohner eines Wohnprojektes genießen viele Vorteile:
- Leben in Gemeinschaft
Die ideelen Vorteile für die Bewohner sind ein selbstbestimmtes Leben in frei gewählter Gemeinschaft, mehr Einfluss auf die Gestaltung des Wohnumfeldes sowie ein erleichterter Aufbau von Selbsthilfe-Netzwerken. Gerade angesichts des demographischen Wandels und der negativen Folgen der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft sind Wohnprojekte zukunftsfähig und liegen voll im Trend. - Gestaltungsfreiheit
Indem sich Menschen in Baugemeinschaften zusammenschließen, tragen sie selbst die Verantwortung für Neubau oder Sanierung ihrer Wunschimmobilie, haben aber auch größtmögliche Freiheiten bei deren Gestaltung. Dank erprobter Rechtsmodelle, wie Genossenschaft oder GmbH, lassen sich die persönlichen Haftungsrisiken eingrenzen. - Kosten sparen
Die Baukosten fallen bei Wohnprojekten in der Regel geringer aus, da einerseits, im Gegensatz zu konventionellen Bauträgern, keine Gewinnmarge anfällt und andererseits die Bewohner viele Möglichkeiten zur Eigenleistung haben. - Alternative zur Eigentumswohnung
Jene Wohnprojekte im kollektiven Eigentum (Genossenschaft, GmbH) bieten auch Bauherren mit kleinem Geldbeutel die Möglichkeit, das eigene Wohnumfeld selbst zu gestalten und die neue Nachbarschaft aktiv mit aufzubauen. - Bezahlbarer Wohnraum
Da viele Wohnprojekte einen Wiederverkauf Ihrer Immobilie oder etwaige Renditeerwartungen von vornherein ausschließen, schaffen sie bezahlbaren Wohnraum für sich und alle folgenden Generationen.
Ein Leben in einem Wohnprojekt kann für Menschen in verschiedenen Lebensphasen aus ganz unterschiedlichen Gründen attraktiv sein. Mögliche Motivationen sind:
- Ältere Menschen wollen zum Beispiel möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben führen und dabei frei entscheiden, in welchem Umfeld und mit welchen Menschen sie zusammen alt werden wollen.
- Alleinerziehenden und Familien bieten Wohnprojekte die Möglichkeit, die Kinder unter Gleichaltrigen aufwachsen zu sehen und bei der Kinderbetreuung zusammenzuarbeiten.
- Freiberufler und Selbstständige schätzen es, mit BerufskollegInnen direkt am Wohnort auch arbeiten zu können und wünschen sich ein Wohnprojekt mit integriertem Atelier oder Gemeinschaftsbüro.
- Studierende und Auszubildende gründen ein Mietwohnprojekt, um langfristig kollektiven Wohnraum zu schaffen oder in der Gruppe kulturell aktiv zu werden.
- Mehrere Generationen ziehen gemeinsam in ein Haus, weil sie den Austausch und die gegenseitige Unterstützung von Jung und Alt neu beleben wollen.
Sie suchen noch nach dem passenden Wohnprojekt? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, in die wachsende Wohnprojekte-Szene Thüringens hinein zu schnuppern:
1. Wohnprojektor fragen
Wir kennen uns aus in der Wohnprojekte-Landschaft Thüringens und vermitteln gerne weiter. Rufen Sie uns an, schreiben Sie uns eine Email, oder nutzen Sie unser Kontaktformular, damit wir Sie in unsere Interessenten-Datenbank aufnehmen können. So erfahren Sie immer als erstes, wenn wir ein neues Wohnprojekt starten.
2. FORUM gemeinschaftliches Wohnen e.V.
Die zentrale Anlaufstelle auf Bundesebene ist das FORUM gemeinschaftliches Wohnen e.V. mit Sitz in Hannover. Das FORUM ist ein überregionaler Zusammenschluss von Menschen und Organisationen mit Interesse an selbst organisierten und gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Der Verein zeigt die Vielfalt der Wohnprojekte auf und unterstützt Interessierte dabei, die ihnen gemäße Form zu finden. Es berät Kommunen und die Wohnungswirtschaft und bietet Fachleuten eine Plattform für den Informations- und Erfahrungsaustausch.
3. Thüringer Wohnstrategen e.V.
Das FORUM hat Mitglieder in allen Bundesländern und unterhält neben der Geschäftsstelle in Hannover ein Netz von Regionalstellen. In Thüringen übernimmt diese Aufgabe der gemeinnützige Verein Wohnstrategen e.V. mit Sitz in Weimar. Der Verein verfolgt das Ziel, die Idee des gemeinschaftlichen Bauens und Wohnens als eine zukunftsfähige Lebensform in Thüringen zu fördern. Auf der Homepage des Vereins kann man sich anhand einer interaktiven Karte eine Übersicht der in Thüringen ansässigen Gemeinschaften und Wohnprojekte verschaffen.
4. Wohnprojekte-Portal
Eine weitere Übersichtskarte über bestehende Projekte und solche in Gründung bietet das Wohnprojekte-Portal. Die Website wurde von der Stiftung Trias, Hattingen, ins Leben gerufen. Sie soll interessierten Menschen auf dem Weg zu Neugründungen helfen, aber auch als Serviceinstrument für bestehende Initiativen dienen. Über die integrierte Suchfunktion können Interessierte auch gezielt in Thüringen nach passenden Wohnprojekten Ausschau halten.
Welche Rechtsform sich für Ihr Wohnprojekt eignet, hängt maßgeblich von den aktuellen und langfristigen Zielen der Gründungsgruppe ab. Die Wohnungseigentümergemeinschaft, kurz WEG, ist die am weitesten verbreitete Rechtsform für Baugemeinschaften im herkömmlichen Sinne. Nach Bauabschluss erhält jede Partei eine private Eigentumswohnung. Gebäudehülle, Gemeinschaftsräume und Grundstück bleiben Gemeinschaftseigentum. Bei einem Wohnprojekt auf WEG-Basis muss jede Partei die eigene Wohnung komplett selbst finanzieren und einen privaten Kredit in entsprechender Höhe aufnehmen. Dafür dient die Investition in die eigene Wohnung als klassische Altersvorsorge.
Ihre internen Angelegenheiten klären die Mitglieder einer WEG in der Eigentümerversammlung. Um auch in Zukunft mitbestimmen zu können, wer in frei werdende Wohnungen nachzieht, gründen viele Wohnprojekte auf WEG-Basis zusätzlich einen Hausverein, in dem alle aktuellen Bewohner mit einer Stimme vertreten sind. Dieser Verein erhält ein im Grundbuch verankertes Ankaufsrecht auf jede Wohnung im Projekt, welches er an Dritte übertragen kann. Zieht ein Eigentümer aus und möchte seine Wohnung verkaufen, können die verbleibenden BewohnerInnen über den Verein einen Käufer bestimmen, der tatsächlich in ihre Gemeinschaft passt.
Finanzielle Einstiegshürde: hoch
Zeitlicher Aufwand: mittel
Persönliche Haftung: hoch
Privateigentum vs. Kollektiveigentum: privat
Kapitalanlage vs. soziale Wertanlage: kapital
Beispiel: www.allmende-wulfsdorf.de
Genossenschaften sind geprägt von den Leitgedanken der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Die Unternehmensform ist sehr demokratisch, denn jedes Mitglied hat ungeachtet seiner Wohnungsgröße und des eingebrachten Kapitals genau eine Stimme in der Generalversammlung. Das Eigenkapital wird bei einer Genossenschaft über flächenbezogene Pflichtanteile zusammengetragen, i.d.R. zwischen 200 und 500€ pro Quadratmeter Wohnfläche. Der Clou: jedes Mitglied haftet nur mit diesen Anteilen, da die Genossenschaft zur Bank geht und den Kredit beantragt. Dieser Bankkredit wird dann von den Bewohnern gemeinsam über Nutzungsentgelte (Miete) zurückgezahlt.
Das genossenschaftliche Wohnen ist somit eine Mischform zwischen Miete und Eigentum. Auf der einen Seite genießen alle Bewohner ein hohes Maß an Selbstbestimmung, fast so wie ein privater Eigentümer. Schon während der Planung und auch nach Einzug lenken die Mitglieder gemeinsam die Geschicke ihres Wohnprojektes. Andererseits genießt jeder Bewohner die Flexibilität eines normalen Mieters und kann seine Wohnung jederzeit innerhalb von 3 Monaten kündigen. Die privaten Genossenschaftsanteile werden anschließend zu 100% zurückgezahlt.
Finanzielle Einstiegshürde: mittel
Zeitlicher Aufwand: mittel
Persönliche Haftung: mittel
Privateigentum vs. Kollektiveigentum: mittel
Kapitalanlage vs. soziale Wertanlage: mittel
Beispiel: Ro70
Ein sehr erfolgreiches Eigentumsmodell für Wohnprojekte wurde vom Mietshäuser Syndikat aus Freiburg entwickelt, einem basisdemokratischen Verbund, dem sich mittlerweile über 140 Projekte und Initiativen aus ganz Deutschland freiwillig angeschlossen haben. Hierbei gründen die Initiatoren zuerst einen Hausverein. Dieser wiederum gründet eine Hausbesitz-GmbH und wird deren Hauptgesellschafter. Über den Verein können die zukünftigen Bewohner die Geschicke ihres Wohn- oder Gewerbeprojektes basisdemokratisch lenken, über die GmbH ihre Immobilie kaufen, selbst bewirtschaften und verwalten.
Im Innenverhältnis schließt jeder Nutzer einen regulären Mietvertrag mit der GmbH ab. Dementsprechend trägt allein die GmbH das unternehmerische Risiko und der Einstieg für den einzelnen Bewohner/Mieter ist nicht zwingend an eine finanzielle Beteiligung gekoppelt. Das Eigenkapital werben die Initiatoren bei Freunden und Unterstützern ihres Wohnprojektes über sogenannte Direktkredite ein, welche von der Bank als Eigenkapitalersatz anerkannt werden. Dementsprechend hoch ist der Aufwand das Projekt öffentlich zu bewerben und die laufenden Direktkredite zu verwalten.
Das Mietshäuser Syndikat erhält über eine Beteiligung an der GmbH ein begrenztes Mitspracherecht, mittels dessen Verkauf oder Umwandlung der Immobilie nur einvernehmlich möglich sind und damit auf Dauer verhindert werden können. Im Gegenzug berät die Organisation das neue Wohnprojekt bei allen Fragen zur Finanzierung und Bewirtschaftung über ehrenamtliche BeraterInnen.
Finanzielle Einstiegshürde: niedrig
Zeitlicher Aufwand: hoch
Persönliche Haftung: niedrig
Privateigentum vs. Kollektiveigentum: kollektiv
Kapitalanlage vs. soziale Wertanlage: sozial
Beispiel: Baumhaus GmbH, Weimar www.baumhausweimar.com
Die Alternative zum privaten oder kollektiven Eigentum bietet ein Mietwohnprojekt. Die zukünftigen Bewohner gründen einen Hausverein, der ein ganzes Mehrfamilienhaus samt Grundstück von einem Wohnungsunternehmen oder privaten Hausbesitzer anmietet. Der Generalmietvertrag gewährt den Bewohnern die Freiheit ihr Haus selbst zu verwalten und den Nachzug intern zu Regeln. Im Gegenzug trägt der Hausverein aber auch das Mietausfallrisiko für alle Wohnungen. Da der Vermieter das unternehmerische Risiko für Kauf und Sanierung trägt, kann er auch die Höhe der Miete bestimmen.
Die aktuellen Bewohner des Hauses stellen immer auch die Mitglieder des Hausvereins und erhalten von diesem Einzelmietverträge mit regulären Kündigungsfristen für ihre Wohnung bzw. ihr Zimmer im Wohnprojekt. Auch typisch für Mietwohnprojekte sind zusätzliche Gemeinschaftsräume, kulturelles Engagement sowie die selbstverantwortliche Gestaltung und Nutzung der Freiflächen um das Haus.
Finanzielle Einstiegshürde: gering
Zeitlicher Aufwand: gering
Persönliche Haftung: niedrig
Privateigentum vs. Kollektiveigentum: privat, beim Vermieter
Kapitalanlage vs. soziale Wertanlage: kapital, beim Vermieter
Beispiel: Gelbe Zora